Zeit des Aufbruchs: Nachhaltigkeit ist im Controlling angekommen

Seit mehr als einem Jahrzehnt beschäftigt sich der ICV intensiv mit einem Thema, dem inzwischen auch auf wirtschaftspolitischer Ebene höchste Priorität eingeräumt wird: Sustainability. Bereits  2010/2011 hat die ICV Ideenwerkstatt „Notwendigkeit und Relevanz eines grünen Controllings“ zu ihrem Themenschwerpunkt erklärt. Der Think Tank im Controlling ist ein hochkarätig besetztes Team aus Wissenschaftlern und Vertretern der Controllingpraxis. Die Visionäre haben es sich zur Aufgabe gemacht, regelmäßig über Trends und neue Entwicklungen zu informieren und damit Impulse für die Weiterentwicklung des Controllings zu geben. Die enge Zusammenarbeit aller Gremien im ICV sowie die partnerschaftlichen Verknüpfung zu Unternehmen und Hochschulen sorgen dafür, dass ControllerInnen, am Controlling Interessierte und vor allem Mitglieder des ICV immer auf dem neuesten Stand sind, wenn es um Trends und Visionen geht. So auch im Bereich Nachhaltigkeit. 

ControllerInnen sind jetzt als Unterstützende der Transformation gefordert

Die ICV Ideenwerkstatt startete vor mehr als einem Jahrzehnt im Themenbereich Nachhaltigkeit mit Publikationen wie dem Dream Car-Bericht „Green Controlling“ und der ICV Green Controlling Studie. Daran anknüpfend hat der ICV Fachkreis „Green Controlling for Responsible Business“ mit dem „Leitfaden Green Controlling“ im Jahr 2014 anwendungsorientierte Lösungsansätze herausgegeben - eine bis heute gefragte Publikation der ICV Schriftenreihe. Die jüngste Veröffentlichung aus dem Fachkreis heißt „EU-Taxonomie für Sustainable Finance – Die Rolle des Green Controllings bei der Umsetzung des European Green Deals“. Der Controller als Unterstützer der Transformation hat demnach die Aufgabe, eine integrierte Unternehmenssteuerung zu gestalten, die neben den traditionellen ökonomischen auch soziale und ökologische Unternehmensziele umfasst. Schließlich gelten perspektivisch nur noch unternehmerische Aktivitäten als ökologisch nachhaltig, wenn sie die Standards der Taxonomie als Klassifizierungssystems erfüllen und darauf basierend Unternehmen ihr Handeln und seine Auswirkungen klar bewerten und transparent berichten können.

Auf Freiwilligkeit folgen zunehmend regulatorische Vorgaben

Forciert wird der Fokus auf Nachhaltigkeit durch die gesellschaftliche, unternehmerische und politische Entwicklung. Damit einher gehen mehr oder weniger verpflichtende Regelwerke. In der Value Balancing Alliance etwa haben sich 2019 Unternehmen wie BASF, Bosch und die Deutsche Bank freiwillig zusammengeschlossen mit dem Ziel, im Rahmen des betrieblichen Rechnungswesens eine standardisierte Methodik festzulegen, um gesellschaftliche und ökologische Wertbeiträge zu bewerten. Zeitgleich sind die regulatorischen Vorgaben auch vonseiten der Politik und des Gesetzgebers gestiegen. Während die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN, formuliert 2020 als Sustainable Development Goals (SDGs), und der European Green Deal der Europäischen Kommission, vorgestellt 2019, eher allgemein Ziele und Handlungsfelder formulierten, ist die EU-Taxonomie für Sustainable Finance von 2021 ein Ansatz für die operative Umsetzung. Auch im Rahmen der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) wird die Taxonomie als verpflichtende Grundlage für die Berichterstattung in Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden genannt.

Umsetzung der EU-Taxonomie wird für ControllerInnen zum Alltag

„Controller wird die Taxonomie vermehrt beschäftigen“, so das Fazit von Dr. Marco Möhrer, Controller bei der Robert Bosch GmbH und Leiter des ICV Fachkreises Green Controlling. In dessen White Paper zur Taxonomie klärt er gemeinsam mit weiteren AutorInnen zentrale Fragen, um Controllerinnen und Controllern eine Handreichung für das Verständnis, die praktische Anwendung und den Mehrwert dieser Vorgaben zu geben. Die Definition relevanter Begriffe und die Darstellung spezifischer KPIs gehören genauso dazu wie die Antwort auf die Frage, welchen Beitrag das Controlling bei der Integration der Taxonomie in eine ganzheitliche Unternehmenssteuerung leisten kann. Am Beispiel der Deutschen Post DHL (DPDHL) erfährt der Lesende mehr über Chancen, Herausforderungen und Stolpersteine, aber auch über Aufgabenpakete und Prozessphasen der Implementierung der Taxonomie in die Praxis.

Nutzen in der Wertschöpfungskette generieren

Da Controllerinnen und Controller nah an Unternehmenssteuerung und Management stehen, sind sie gut auf die Integration der Nachhaltigkeit in ihr Aufgabengebiet vorbereitet, glaubt Claudia Maron, ICV Vorstandsmitglied und bei der DATEV eG Head of Digital and Sustainable Economy: „Ein Planungs- oder Reporting-Prozess unterscheidet sich nicht dadurch, dass zusätzlich zu den financials auch non-financials einbezogen werden“. Vielmehr könne das Controlling Nutzen in der Wertschöpfungskette generieren, indem die nicht-finanziellen Informationen mit der Finanzwelt verknüpft, in Datenmodelle gegossen und mit KI oder Business Analytics ausgewertet werden. „Dazu sind Controller als Change Agents und Partner des Managements gefordert“, fasst Maron das erweiterte, aufgewertete Aufgabengebiet der ControllerInnen zusammen.

Herausforderung meistern: Verschiedene Systeme zusammenführen und Planung integrieren

Gleichwohl räumt sie ein, dass die große Herausforderung darin bestehe, die unterschiedlichen ökologischen und sozialen Informationssysteme mit den etablierten Finanzinformationen zusammenzuführen und dabei Kurz-, Mittel- und Langfristplanung abzudecken. Auch gelte es, die strategischen Zielsetzungen des Unternehmens etwa für die CO2-Emissionen langfristig im Kontext zu prüfen. Mittelfristig bedeutet für Maron nachhaltiges Wirtschaften, sich von der alleinigen Ausrichtung auf den Shareholder Value zugunsten der Stärkung des Stakeholder Values zu verabschieden: Investoren, Finanzgeber und Ratingagenturen orientieren sich zunehmend am ökologischen und sozialen Fußabdruck einer Marke oder eines Unternehmens. Auch der Druck auf den Kapitalmarkt wächst. Finanzprodukte mit Fokus auf Environmental, Social und Governance erfreuen sich steigender Nachfrage bei Unternehmen, die ihre Initiativen im Bereich Nachhaltigkeit mit ESG-Finanzierungen auf- und ausbauen können. Finanzberater sind EU-weit verpflichtet, Kunden auf Nachhaltigkeitskriterien bei den Geldanlagen hinzuweisen und ab August auch zu ihren Nachhaltigkeitspräferenzen zu befragen: Das Bewusstsein für die „nachhaltige“ Finanzierung steigt, genauso wie die Nachfrage nach Green Bonds, Social Bonds und Sustainability Bonds. Allein die KfW hat im vergangenen Jahr laut eigenen Angaben 37 Green Bond Emissionen auf den Markt gebracht.

Die nachhaltige und digitale CFO-Agenda sind zukunftsweisend für das Controlling

Für Claudia Maron ist klar: Nachhaltige Werte müssen Teil der Unternehmenskultur werden. Das kann nur gelingen mit einem Commitment des Managements und der Verankerung in der Unternehmensstrategie. Mittelständischen Unternehmen empfiehlt der ICV, die ökonomische Säule der Triple Bottom Line im Controlling zu verankern. Zudem sollten die Abteilungen, die Soziales und Ökologie im Unternehmen verantworten, in die Unternehmenssteuerung integriert werden. „Die nachhaltige und digitale CFO- und Controlling-Agenda – beide Themen sind zukunftweisend. Controllerinnen und Controller sind als Change Agents gefordert, Veränderungsprozesse aktiv mitzugestalten“, betont ICV Vorstandsmitglied Maron.